Tote durch verseuchtes Hochwasser – DW – 08.09.2005
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Tote durch verseuchtes Hochwasser

8. September 2005

Während die Seuchengefahr in New Orleans wächst, weigern sich viele Einwohner, die Stadt zu verlassen. Trotzdem wurde noch nicht mit der angeordneten Zwangsevakuierung begonnen.

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Traurige Bilder aus New OrleansBild: AP
Hurrikan Katarina in New Orleans Evakuierung
Wie Chin Chun Nin wollen sich viele nicht evakuieren lassenBild: AP

In den überschwemmten Regionen an der US-Golfküste sind drei Menschen an Infektionen mit Bakterien gestorben. Die Krankheitserreger hatten sich offenbar in den stark verschmutzten Wassermassen angesammelt. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass mehrere hundert Menschen an einer Magen- und Darminfektion erkrankt sind. Das Flutwasser in New Orleans ist so stark mit E-Coli-Bakterien und Blei verseucht, dass die US-Umweltbehörde EPA Einwohner und Retter vor jedem Kontakt damit gewarnt hat. In dem Wasser treiben Leichen, Müll, Industrieabfälle und Benzin aus den vielen überfluteten Autos.

Hurrikan Katarina in New Orleans Evakuierung
Keine Menschen, sondern Haustiere rettet diese Mitarbeiterin des International Fund for Animal Welfare (IFAW)Bild: AP

"Wenn ihr die Stadt noch nicht verlassen habt, dann müsst ihr es jetzt tun", warnte die Chefin der Gesundheitsbehörde CDC in Atlanta, Julie Gerberding, angesichts der Verseuchung des Wassers. Mit der von Bürgermeister Nagin angeordneten Zwangsräumung wurde jedoch auch am Donnerstag (8.9.2005) noch nicht begonnen. Sprecher der Küstenwache und der Polizei erklärten, sie wollten zunächst erst einmal all denen helfen, die die Stadt freiwillig verlassen wollten. Die Armee hatte zuvor angekündigt, sie werde sich an einer Zwangsmaßnahme nicht beteiligen.

"Sie müssen mich herauszerren"

In der überfluteten Südstaatenmetropole werden noch 10.000 Menschen vermutet. Von denen lehnten es nach Einschätzung der Bergungskräfte Hunderte strikt ab, ihre Häuser zu verlassen. Leute wie der 38-jährige Dennis Rizzuto erklärten, sie hätten genügend Lebensmittel und verfügten über einen Generator für die Stromversorgung. "Sie werden mich herauszerren müssen", sagte er. In einem Altenheim in einer Vorort-Gemeinde von New Orleans entdeckten Helfer mehr als 30 Leichen.

Für die Katastrophengebiete wurden 25.000 Leichensäcke bereitgestellt - ein Zeichen dafür, dass die Behörden mit dem Schlimmsten rechnen. "Die Gesamtzahl der Toten ist noch völlig ungewiss", sagte jedoch der Sprecher der Gesundheitsbehörde von Louisiana, Bob Johannessen. Bürgermeister Ray Nagin hatte vor Tagen allein für New
Orleans die Zahl von 10.000 Toten nicht ausgeschlossen. Nach offiziellen Angaben wurden bisher in Louisiana 83 und in Mississippi 201 Leichen gezählt.

Hurrikan Katarina in New Orleans Evakuierung Polizei
Sicherheitskräfte aus Indiana bei einer Patroullie in New OrleansBild: AP

Die Kriminalität in der Stadt hat die Polizei nach eigenen Angaben wieder im Griff. "Wir hatten eine sehr ruhige, friedliche Nacht", sagte Polizeichef Edwin Compass am Mittwoch. Einer der Busbahnhöfe wurde vorübergehend zu einem Gefängnis umgebaut. Am Dienstagnachmittag waren dort die ersten 100 Insassen hinter Maschendrahtzaun und Stacheldraht inhaftiert worden.

150 Milliarden Gesamtkosten

Das Weiße Haus kündigte am Mittwochabend eine Aufstockung der Hurrikanhilfe von bisher 10,5 Milliarden Dollar um knapp 52 Milliarden an. Der Budgetdirektor des Weißen Hauses, Joshua Bolten, machte deutlich, dass vermutlich noch mehr Gelder beantragt werden müssen. Die Gesamtkosten für die Opferhilfe und die Beseitigung der Schäden werden auf bis zu 150 Milliarden geschätzt. Unterdessen treffen die Behörden erste Vorbereitungen für den Wiederaufbau der zerstörten Straßen und Brücken.

Bildgalerie 2 Hurrikan Katrina
This image released by FEMA Friday Sept. 2, 2005 shows A Red Cross volunteer comforting a hurricane victim in the Houston Asrodome Friday Sept. 2, 2005. Approximately 18,000 hurricane Katrina survivors are temporarily sheltered in the Red Cross shelter at the Astrodome and Reliant center. (AP Photo/Andrea Booher)Bild: AP

Das politische Washington stand am Mittwoch weiter ganz im Zeichen massiver Kritik an der langsamen Reaktion auf die Katastrophe. Nachdem Präsident Bush am Dienstag eine Untersuchung unter seiner eigenen Leitung angekündigt hatte, forderte die demokratische Opposition mit Senatorin Hillary Clinton an der Spitze die Einsetzung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses.

Internationale Hilfe schlecht koordiniert

Die internationale Unterstützung läuft derweil auf Hochtouren. Die USA erhielten nach Angaben des Außenministeriums Hilfszusagen im Umfang von rund einer Milliarde Dollar. Die größten Einzelspenden kamen aus den reichen Golfstaaten. Spezialisten des deutschen Technischen Hilfswerks (THW) brachen am Donnerstag in das Katastrophengebiet auf. Insgesamt seien zwei Flugzeuge mit 94 Hochwasserexperten und 15 Hochleistungs-Pumpen nach New Orleans gestartet, sagte ein THW-Sprecher. Die Bundesregierung unterstützt die USA zudem mit 20 bis 30 Spezialisten des Bundeskriminalamts (BKA) bei der Identifizierung der Toten. Außerdem ist weitere Nahrungsmittelhilfe geplant. Bisher hat die Bundesregierung rund 40 Tonnen an Tagesrationen in die USA geflogen.

THW auf dem Weg in Hurrikangebiet
Wasserrohre des Technischen Hilfswerkes (THW) liegen am Mittwochabend vor dem Abflug auf dem US-Militärflughafen in Ramstein.Bild: dpa - Report

Zum großen Frust mancher Geber kommt die US-Regierung jedoch bei der Koordinierung nicht in die Gänge. Hilfsgüter liegen in Flughäfen rum, Experten sitzen in den Startlöchern und warten seit Tagen auf grünes Licht aus Washington. Die EU-Kommission monierte in Brüssel Probleme bei der Koordinierung der Hilfsangebote. Es fehle jede Rückmeldung über den Einsatz der Hilfsgüter, sagte eine Sprecherin. Ungeduld war zwischen den Zeilen auch in Berlin zu lesen. Der Koordinator der deutschen Hurrikan-Hilfe, Frank-Walter Steinmeier, habe im Gespräch mit dem neuen US-Botschafter William Timken die Notwendigkeit einer möglichst schnellen US-Reaktion und des Abrufs bereits übermittelter Angebote betont, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Deutlicher wurde Mirit Hemy von der niederländischen Satellitenfirma New Skies Satellite: "Wir haben Null Hilfe bekommen und eine Woche verloren, in der wir vergeblich versucht haben, jemand zu erreichen." (stu)