Landtagswahl in Brandenburg: SPD erleichtert – DW – 23.09.2024
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Landtagswahl in Brandenburg: SPD erleichtert

23. September 2024

Der SPD-Sieg bei der Landtagswahl in Brandenburg verschafft Kanzler Olaf Scholz innerparteilich etwas Luft. Die AfD wird zweitstärkste Kraft. Für die Regierungskoalition hingegen birgt das Ergebnis Sprengstoff.

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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke geht gut gelaunt durch eine Menschenmenge, in der sich auch viele Journalisten befinden
Gut gelaunt, beklatscht und umringt von Journalisten: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wirkt erleichtertBild: Markus Schreiber/AP/picture alliance

Es war "nur" eine Landtagswahl und Brandenburg mit seinen rund 2,1 Millionen Wahlberechtigten ist auch nur eins von insgesamt 16 Bundesländern in Deutschland. Und doch hat die Wahl in dem ostdeutschen Bundesland dieses Mal eine beachtliche Bedeutung für die Bundespolitik. 

Es ist zum einen die dritte Landtagswahl innerhalb von drei Wochen, bei der die in Teilen rechtsextreme AfD enorme Zugewinne verzeichnen konnte. Wenn "antidemokratische Parteien solche Ergebnisse" erzielten, dann sei es ein Tag, "an dem kein Demokrat so einfach feiern kann", kommentierte die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang am Wahlabend.

Bei der AfD sieht man das naturgemäß anders. "Wir sind extrem zufrieden mit dem Ergebnis", so Co-Parteichefin Alice Weidel. Im Osten der Republik sei die AfD inzwischen stärkste Kraft, die Landtagswahl in Brandenburg nur eine Etappe auf dem weiteren Weg. 

Krachende Niederlagen für Grüne und FDP

Es ist zum anderen die dritte Landtagswahl in Folge, bei der die Grünen und die FDP, die zusammen mit der SPD in Berlin die Bundesregierung stellen, eine krachende Niederlage einfuhren. Beide Parteien verpassten den Einzug in den Landtag. "Die Leute fühlen sich nicht gehört, nicht nur, aber auch von uns Grünen. Und wir Grüne im Bund und im Land müssen näher ran an die Lebensrealität der Menschen im Osten", analysierte die grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang das Wahlergebnis. 

Für die Grünen aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. "Es gibt offensichtlich einen negativen Trend, und den gilt es jetzt zu durchbrechen. Dafür werden wir uns jetzt gemeinsam fokussieren und uns da auch gemeinsam wieder rauskämpfen."

Die grünen Spitzenpolitiker Annalena Baerbock, Omid Nouripour und Ricarda Lang sitzen nebeneinander und machen ernste Gesichter.
Die Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang (vorne). Hinten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.Bild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Die FDP hat das Wahlergebnis weitaus stärker getroffen. Wie schon in Thüringen und Sachsen ist ihr Wahlergebnis in Brandenburg mit unter einem Prozent kaum noch messbar, die Partei ist in den drei Ländern in die politische Bedeutungslosigkeit abgerutscht.

Kein Rückenwind aus Berlin

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai war der Frust anzumerken, als er nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse von einem "schwierigen Abend" sprach. Erneut sehen die Liberalen die Verantwortung für das miserable Ergebnis bei der Regierungskoalition in Berlin. Die sogenannte Ampel gilt als zerrüttet. Nach knapp drei Jahren im Amt finden die zwei eher linken Parteien SPD und Grüne mit der wirtschaftsliberalen FDP kaum noch Gemeinsamkeiten. 

Nicht einmal jeder fünfte wahlberechtigte Bundesbürger ist mit der Arbeit der Regierung noch zufrieden. Bundespolitische Themen wie die kränkelnde Wirtschaft und vor allem das Thema Migration bestimmten den Wahlkampf in Brandenburg. "Momentan ist unser eigenständiges Profil als Partei für freiheitsliebende, optimistische und leistungsbereite Menschen durch viel Koalitionsstreit in Berlin verdeckt", formulierte es Bijan Djir-Sarai am Wahlabend. 

Steht die Koalition Weihnachten noch?

Man kann davon ausgehen, dass die Diskussion darüber, ob die FDP an der Koalition festhalten oder sie platzen lassen könnte, nun richtig Fahrt aufnimmt. Die Zusammenarbeit vor allem mit den Grünen sei für die FDP "toxisch", schimpfte Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki, der schon häufiger den Ausstieg der FDP aus der Regierung gefordert hat. "Ich glaube nicht, dass bei der jetzigen Performance diese Koalition Weihnachten noch erreicht."

Das Foto zeigt den Kopf von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, von der Seite aufgenommen. Er hat einen sehr ernsten Gesichtsausdruck.
Der Frust sitzt tief: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-SaraiBild: Christian Spicker/IMAGO

Djir-Sarai reagierte ausweichend auf Fragen nach der Zukunft der Ampel und ließ in seinen Aussagen vieles offen. "Wir werden in den nächsten Tagen dieses Ergebnis, aber auch die aktuelle politische Lage, sehr ausführlich und intensiv in den Gremien der FDP diskutieren und behandeln." Seine Partei werde "kämpferisch und optimistisch" nach vorne schauen, so Djir-Sarai. "Es muss und es wird einen Herbst der Entscheidungen geben."

Sozialdemokraten wollen Haltung zeigen

Entscheidungen fordert auch SPD-Co-Chef Lars Klingbeil, doch es ist fraglich, ob die beiden Politiker das Gleiche meinen. Klingbeil bezieht sich auf politische Vorhaben, die die Koalition in den kommenden Wochen eigentlich noch umsetzen will, etwa bei den Themen Rente, Haushalt oder Asyl. "Wir wissen, dass die Bundesregierung keinen Rückenwind gegeben hat, das haben wir bei den anderen Landtagswahlen auch schon gesehen. Wir haben hier schwierige Aufgaben zu meistern in den nächsten Wochen, wir haben Dinge zu klären in den nächsten Wochen."

Dabei müsse die SPD "konsequent Haltung" zeigen, so Klingbeil. In Brandenburg habe sich gezeigt, dass seine Partei nur so auch wieder Wahlen gewinnen könne. "Wenn man sich Dietmar Woidke anguckt, der hat mit Klarheit agiert, der war konsequent für sozialdemokratische Themen unterwegs. Und diese Konsequenz, die brauchen wir jetzt auch."

Woidke: SPD hat Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt

SPD distanziert sich von SPD

Die SPD des seit elf Jahren amtierenden Ministerpräsidenten Woidke hat die Wahl aber wohl auch deswegen gewonnen, weil Woidke sich im Vorfeld deutlich von der Ampel und der Bundes-SPD distanzierte. Gemeinsame Auftritte mit Bundeskanzler Olaf Scholz gab es nicht. Kurz vor der Wahl rief Woidke dann auch noch einen Zweikampf zwischen SPD und AfD aus. Nur wenn die SPD gewinne, werde er weiter in der Landespolitik bleiben, setzte der im Land sehr beliebte Woidke alles auf eine Karte.

Ein risikoreiches Unterfangen, das am Ende aber aufging. Für den Bund kann es dennoch keine Option sein, denn Olaf Scholz ist so unbeliebt, wie kaum ein Kanzler vor ihm. In der SPD gibt es daher eine Debatte, ob Scholz der richtige Kandidat für die Bundestagswahl 2025 ist. Die SPD-Spitze will von der Diskussion nichts wissen, fürchtet neuen Streit und Unruhe. "Sie kennen meine Äußerung, sie kennen die klaren Äußerungen von (der Co-Vorsitzenden) Saskia Esken und von anderen: Wir wollen mit Olaf Scholz in die Bundestagswahl gehen, da sind wir sehr klar", betonte Lars Klingbeil am Wahlabend. Scholz gibt das Wahlergebnis erst einmal wieder Luft. Am Wahlabend war er in New York. "Ein tolles Ergebnis, sehr toll für die SPD, auch für uns alle", kommentierte er aus den USA.

Schlechtestes Ergebnis für CDU in Brandenburg seit 1990

CDU und CSU hatten ihren Kanzlerkandidaten überraschend wenige Tage vor der Brandenburg-Wahl benannt. CDU-Chef Friedrich Merz soll es werden. Rückblickend war der Zeitpunkt geschickt gewählt. Bei der Landtagswahl schnitt die CDU historisch schlecht ab, wurde nur viertstärkste Kraft, noch hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Wäre Merz noch nicht benannt, wäre das Wahlergebnis sicherlich Grundlage für neuerliche Diskussionen um seine Eignung als Kanzlerkandidat gewesen. Doch so konnte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Wahlabend entspannt bleiben. "Das ist eine Niederlage heute in Brandenburg, ganz klar, da will ich auch gar nicht drum herumreden und: Glückwunsch an die SPD."