Deutschlands Regierung: Showdown um den Haushalt – DW – 03.07.2024
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Deutschlands Regierung: Showdown um den Haushalt

3. Juli 2024

Die Verhandlungen sind zäh. Es ist nicht ausgeschlossen, dass SPD, Grüne und FDP am Haushalt 2025 scheitern. Doch Deutschlands Kanzler Scholz verbreitet Zuversicht.

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Bundeskanzler Olaf Scholz
Die Drei von der Ampel: Finanzminister Christian Lindner (links), Bundeskanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert HabeckBild: Ben Kriemann/PicOne/picture alliance

Die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz ist vorbereitet. Für Freitagmorgen hat die SPD-Bundestagsfraktion eine Sondersitzung anberaumt. Um 7:00 Uhr sollen sich die Abgeordneten im Fraktionssaal im Berliner Reichstag einfinden. Einziger Tagesordnungspunkt: Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2025. Der müsste längst vorliegen, doch die Regierung aus SPD, Grünen und FDP streitet seit Monaten darüber und kann sich nicht einigen. 

Am Freitag ist der letzte Sitzungstag im Deutschen Bundestag vor der Sommerpause. Erst am 9. September läuft der Parlamentsbetrieb planmäßig wieder an. Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen sind beunruhigt - und die SPD macht Druck. "Wir wissen alle, dass es extrem anspruchsvolle Haushaltsberatungen sind", sagte die Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, an diesem Mittwoch in Berlin. Aber "wir wollen, dass im Laufe dieser Woche eine politische Einigung vorliegt und wir in die sitzungsfreie Zeit mit klaren Informationen gehen, wie der Haushalt aussieht." Zumindest politische Leitplanken müssten dann stehen, verlangt Mast.

Konfliktlinien zwischen den Parteien der Ampel

Der Streit über den Haushalt droht, die Koalition zu zerreißen und das zermürbt die Abgeordneten zumindest bei SPD und Grünen zusehends. In der Ampel, einem Bündnis aus zwei linken und einer wirtschaftsliberalen Partei, stehen sich zwei gegensätzliche Positionen unversöhnlich gegenüber. Bundesfinanzminister Christian Lindner, der auch FDP-Vorsitzender ist, will drastisch sparen, um von 2025 an die Schuldenbremse wieder einhalten zu können. Die ist im Grundgesetz verankert und besagt, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er auch einnimmt. 

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP und Bundesminister der Finanzen, spricht auf einer Pressekonferenz.
Will bei der Schuldenbremse nicht nachgeben: Finanzminister und FDP-Chef Christian LindnerBild: Hannes P Albert/dpa/picture alliance

SPD und Grüne sind der Meinung, dass das wegen der vielen Krisen in Deutschland und der Welt unmöglich ist. Es gebe Punkte, die unverzichtbar seien, betont Katja Mast: "Erstens, dass wir die notwendigen Ressourcen finden, um Zukunftsinvestitionen zu machen, in Infrastruktur, in Digitalisierung, in Bildung. Zweitens habe ich niemals einen Zweifel daran gelassen, dass es uns um äußere, innere und soziale Sicherheit geht."

Sparen oder neue Schulden machen?

Sozialdemokraten und Grüne wäre es am liebsten, wenn erneut eine Notlage erklärt und die Schuldenbremse wie schon in den vergangenen Jahren ausgesetzt würde. Zumindest die Ausgaben zur Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine müssten vom regulären Haushalt ausgenommen werden. Das lehnt die FDP aber ab.

Beide Seiten geben sich seit Monaten beharrlich stur. Die FDP will bei den Sozialabgaben kürzen und dafür die Wirtschaft unterstützen. Mehrfach lag die Drohung in der Luft, dass die Regierungskoalition am Haushalt zerbrechen könnte. Doch damit ist keiner der drei Parteien geholfen, denn sie stehen in Umfragen so schlecht da, dass sie bei Neuwahlen wohl nicht mehr an die Macht kämen. Die SPD-Fraktion wäre dann wohl nur noch halb so groß wie jetzt.

Deutschland, Berlin | 100 Tage bis zur "EURO 2024". Annalena Baerbock, Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner mit dem Bundeskabinett beim Fototermin '100 Tage bis zur EURO 2024' im Bundeskanzleramt. Berlin, 06.03.2024. Alle vier halten einen Fußball in der Hand, schauen nach oben und lächeln.
So gut gelaunt sieht man die Koalitionäre nur noch selten zusammen: (v.l.) Annalena Baerbock, Robert Habeck (beide Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) bei einem Fototermin zur Fußball-Europameisterschaft im MärzBild: Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopress/picture alliance

Eine Einigung ist auch wichtig mit Blick auf den Wahlkampf und die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September. Wie negativ eine zerstrittene Bundesregierung auf Wähler wirkt, zeigte sich schon bei der Europawahl im Juni. 

Suche nach Kompromissen

Das alles wissen Kanzler Scholz, sein Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und FDP-Chef Lindner nur zu genau. Seit Wochen sitzen die drei führenden Köpfe der Ampel immer wieder im Kanzleramt, um eine Lösung zu finden. Die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen sind zäh, dauern oft stundenlang. 

Es sei "schwer", sagte Habeck in Berlin. "Alle müssen an die Schmerzgrenzen oder auch darüber hinaus gehen." Man müsse sich aber jetzt unbedingt einigen. Für die FDP hat Tempo allerdings keine Priorität. "Gründlichkeit und ein gutes Ergebnis" seien wichtig, wie FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gegenüber der Nachrichtenagentur dpa betonte.

Optimistischer Kanzler Olaf Scholz

Olaf Scholz gibt sich hingegen alle Mühe, Zuversicht zu verbreiten. Man sei "auf den letzten Metern", versprach der Kanzler an diesem Mittwoch im Bundestag. "Ich bin überzeugt, dass uns das auch gelingen wird." Details waren ihm bei einer Regierungsbefragung im Parlament allerdings nicht zu entlocken. Auch wenn sich das viele Abgeordnete aus den Reihen der Regierungsparteien sicherlich wünschen würden. Denn die meisten fragen sich durchaus, wie der Plan aussehen kann, mit dem die Milliardenlöcher im Haushalt gestopft werden können.

Deutschland Berlin Bundestag. Blick von oben in den Bundestag. Bundeskanzler Olaf Scholz steht an seinem Platz vor einem Mikrofon. Ein Abgeordneter steht ebenfalls und stellt eine Frage.
Regierungsbefragung im Bundestag: Der Kanzler steht auf seinem Platz und beantwortet Fragen der AbgeordnetenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Doch Scholz, Habeck und Lindner haben Stillschweigen vereinbart und so durchlässig Gesprächsrunden im Berliner Regierungsviertel sonst auch sind: Aus den Verhandlungen im Kanzleramt sickert nichts heraus. Nur so viel ist bekannt: Die Etats der meisten Ministerien sind inzwischen festgezurrt. 

Weniger Entwicklungshilfe aus Deutschland

Zuletzt hatten sich fünf Ministerinnen und Minister gegen die Sparvorschriften gewehrt, die der Finanzminister ihnen auferlegt hat. Der finanzielle Spielraum liegt fast überall deutlich unter dem, was 2024 ausgegeben werden durfte. Drastische Einschnitte sind in der Entwicklungszusammenarbeit und bei der humanitären Hilfe vorgesehen. Dagegen sträubt sich vor allem die grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock

Bei den Grünen ist die Skepsis, bis zum Ende der Woche eine Einigung im Haushaltsstreit zu haben, größer als bei der SPD. Die Fraktion sei aber ebenfalls in der Lage, am Freitag noch kurzfristig zu einer Sondersitzung zusammenzukommen, heißt es.

Auch die Opposition ist unzufrieden

Kritik an dem ganzen Prozedere kommt aus der Union, wie die größte Oppositionsfraktion heißt, in der CDU und CSU zusammengeschlossen sind. Der CDU-Haushaltsexperte Mathias Middelberg warf Kanzler Olaf Scholz vor, durch "haushaltspolitische Geheimniskrämerei" den Bundestag im Dunkeln zu lassen. "Ewig intern" zu beraten "und dann irgendwann dem Bundestag den Haushalt" vorzulegen, sei "ein unmöglicher Umgang mit dem Parlament", das diesem Haushalt schließlich zustimmen müsse.

Doch auch von diesem Vorwurf ließ sich Scholz in der Regierungsbefragung nicht aus der Ruhe bringen. Er gehe davon aus, dass noch "in diesem Monat" ein Haushaltsentwurf vorliegen werde, sagte er. Das Parlament werde in seiner Arbeit nicht beeinträchtigt. "Der Bundestag berät typischerweise nach der Sommerpause über den Haushalt und berät ihn dann bis zum Jahresende", so Scholz. "An diesem Zeitablauf wird keine Beeinträchtigung zu finden sein."