Anklage gegen Österreichs Ex-Kanzler Kurz – DW – 18.08.2023
  1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anklage gegen Österreichs Ex-Kanzler Kurz

18. August 2023

Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz galt einst als politisches Ausnahmetalent. Nach mehreren Affären gab er 2021 sein Amt auf. Jetzt wurde er wegen mutmaßlicher Falschaussagen angeklagt.

https://p.dw.com/p/4VJky
Sebastian Kurz
Sebastian Kurz - der tiefe Fall ehemaligen österreichischen BundeskanzlersBild: Malte Ossowski/SVEN SIMON/picture alliance

Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist wegen des Verdachts der Falschaussage angeklagt worden. Das gab die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien bekannt.

Bei der Anklage geht es um Aussagen des 36-Jährigen im Ibiza-Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments. Im Ausschuss hatte Kurz im Juni 2020 seine Rolle bei der Bestellung des Chefs der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, eher heruntergespielt. Er sei im Vorfeld über die Entscheidung informiert worden, habe aber nicht weiter mitgewirkt, so seine damalige Aussage. Aufgrund von Chatnachrichten geht die Staatsanwaltschaft aber davon aus, dass der ehemalige Regierungschef sehr wohl intensiv in die Personalie eingebunden war. So hätten sich Kurz und Schmid spätestens ab Mitte 2017 regelmäßig über das Thema ausgetauscht.

Österreich: Anklage gegen Sebastian Kurz

Kurz bestreitet die Vorwürfe

Kurz hat die Vorwürfe stets vehement bestritten. "Die Vorwürfe sind falsch und wir freuen uns darauf, wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor Gericht als haltlos herausstellen", schrieb Kurz auf der Plattform X (ehemals Twitter). Es sei für ihn und sein Team wenig überraschend, dass die Behörde trotz 30 entlastender Zeugenaussagen dennoch entschieden habe, einen Strafantrag zu stellen.

Die WKStA ermittelte seit dem Frühjahr 2021 nach einer Anzeige der sozialdemokratischen Partei SPÖ  und der liberalen Partei NEOS gegen Kurz wegen des Verdachts der Falschaussage. Der Strafrahmen für das zur Last gelegte Delikt beträgt laut Behörde bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Das Verfahren soll nach Angaben des Landesgerichts für Strafsachen Wien am 18. Oktober beginnen. 

Österreich Bundeskanzler Sebastian Kurz
Sebastian Kurz wurde 2017 zum ersten Mal Bundeskanzler von ÖsterreichBild: Joe Klamar/AFP/Getty Images

Weitere Anklage wegen so genannter Inseratenaffäre möglich

Kurz hat möglicherweise auch noch in der sogenannten Inseratenaffäre eine Anklage vor sich. Dabei geht es um geschönte Umfragen und Regierungs-Inserate in Boulevard-Zeitungen, die mutmaßlich mit Steuergeld bezahlt worden sein sollen. Gegen mehrere Personen wird wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Auch hier bestreitet Kurz die Vorwürfe.

Der ehemalige ÖVP-Chef, einst europaweit hochgehandelter Hoffnungsträger der Konservativen, stand zwei Mal an der Spitze einer Koalition in Österreich. Von 2017 bis 2019 führte Kurz ein Bündnis von ÖVP und rechter FPÖ an. Von 2020 bis 2021 war er Regierungschef einer Koalition aus ÖVP und Grünen. Angesichts der Vorwürfe trat er im Herbst 2021 zunächst von seinen Ämtern zurück. Im Dezember 2021 verkündete er seinen gänzlichen Abschied aus der Politik. Inzwischen ist er Unternehmer und Lobbyist.

Video von FPÖ-Chef Strache auf Ibiza
Screenshot aus dem Video mit Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (r) am 24.07.2017 bei einem Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin auf IbizaBild: picture-alliance/dpa/Spiegel/Süddeutsche Zeitung

Auslöser: die Ibiza-Affäre

Anlass aller Ermittlungen war die Ibiza-Affäre. In einem auf der Ferien-Insel heimlich aufgenommenen Video hatte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache anfällig für Korruption gewirkt. Die Koalition aus ÖVP und FPÖ zerbrach 2019 an der Affäre. Bei der Suche nach Anhaltspunkten für Vetternwirtschaft und Korruption zur Zeit der Regierung von Kurz spielte das Handy von Ex-Öbag-Chef Schmid eine zentrale Rolle. Mehr als 300.000 - von der Staatsanwaltschaft oft als belastend eingeschätzte - Chats waren eine Fundgrube für die Ermittler. Schmid selbst hat sich in der Affäre als Kronzeuge angeboten und Kurz, mit dem er ein enges Verhältnis pflegte, mehrfach belastet.

as/kle (dpa, afp, rtr, phoenix)